Zur Frauenkonferenz der SPÖ am 24. Juni betonte die neue Frauenministerin Sabine Oberhauser in Interviews, dass Frauen „lästig“ sein müssten und sich mehr trauen sollen. Damit gilt das „Spielfeld“ aber weiterhin als männlich mit Regeln, die ebenfalls nicht von den Frauen selbst erstellt werden. „Lästig“ sind meist jene Personen, denen man(n) Aufmerksamkeit auch verweigern kann, wichtig aber die, die man(n) nicht übersehen und überhören darf.
Gefeiert wurde auch der neue Bundeskanzler Christian Kern, der beim Parteitag am Samstag zum Bundesparteivorsitzenden gewählt wird. Dass die Frauenkonferenz am Vortag stattfindet, hat bei den SozialdemokratInnen Tradition, ebenso die Rede des Parteichefs. die Worte von Christian Kern waren dadurch überlagert, dass die Abstimmung in Großbritannien für den „Brexit“ ausgegangen ist. Dennoch fand Kern Zeit, auf seinen persönlichen Zugang zur Emanizpation einzugehen, wie man als Video auf Facebook sehen kann.
Ob den Delegierten, vor allem Frauen, aber auch manche Männer, überhaupt bewusst war, was sie beklatscht haben? „Ich muss ein bissl schmunzeln“, meint Kern zunächst in Erwiderung zur Wiener Stadträtin Renate Brauner am Podium, denn sie kennt seine Lebensverhältnisse recht genau. „Starke Frauen kenne ich auch zuhause“, denn er hat „früher immer scherzhaft gesagt, ich gehe jetzt ins Büro, damit ich etwas zu sagen haben, weil die ( Frau und Tochter) machen sich eh alles ohne mich aus“. Das „muss man akzeptieren und das ist auch gut so, ich bin auch stolz darauf“. Schliesslich sagt er nicht, sag mir was du liest und ich sage dir, was du bist, sondern er achtet auf die Partner. Deshalb ist er auch „unglaublich stolz“ darauf, „mit einer sehr starken Frau verheiratet zu sein“.
SPÖ-Frauen mit Sabine Oberhauser
Klingt aus der Distanz eher nach einem altbackenen Witz über Männer, die unter dem Pantoffel von Frauen stehen, als nach modernen Rollenbildern und gelebter Gleichberechtigung. Diese betont Eveline Steinberger-Kern zwar immer wieder, scheint aber nur selbst neue Rollenvorstellungen zu leben, da sie als Unternehmerin ebenfalls ständig auf Achse ist, sich daneben aber auch um die gemeinsame Tochter kümmert. Da ihr Gatte immer wieder auf Start Ups und Innovationen Bezug nimmt und sie sich damit auskennt, gäbe es schon von daher genug Gesprächsstoff. Auf Augenhöhe sieht ganz anders aus, aber vielleicht haben ja die SPÖ-Frauen damit wenig Erfahrung, gerade auch dann, wenn ihre Partner ebenfalls in der Politik oder politiknahe tätig sind.
Was Kern unter „Humor“ versteht, kann man sich auch beim Pressestatement von seinem Besuch bei der deutschen Kanzlerin am 23. Juni ansehen. Dass bei Kerns sonst so perfekter Medienperformance das Thema Fußball nicht ganz seins ist, zeigte seine Vermutung, die Niederlande spielten bei der EM mit. Bei der Pressekonferenz mit Merkel klang es dann so: „Es gibt einen interessanten Kulturwandel. Ich weiß gar nicht, ob Ihnen das bewusst war, aber ich gehöre ja zur Córdoba-Generation. Das sportliche Erweckungsereignis war also 1978. Mittlerweile ist es aber so, dass sich die Österreicher wünschen, und zwar alle durch die Bank, dass Deutschland Europameister wird. Da ist also innerhalb von 30 Jahren viel passiert. Spaß beiseite: Diese Aufnahme von Flüchtlingen…“ Dazu Merkel: „Auf Fußball bin ich heute lieber nicht zu sprechen gekommen!“ (Österreich ist am Vorabend bei der EM ausgeschieden). „Wir lecken unsere Wunden, aber wir haben Routine dabei; das ist das Gute“, so Kern.
Die SPÖ-Frauen lockt das Versprechen, im Bundesparteipräsidium als höchstem Gremium in Zukunft einen höheren Frauenanteil wie? zu finden? Zu fixieren? Und wenn mehr Frauen diesem Gremium angehören, was bedeutet das konkret? Gibt es auch weiterhin Quotenmänner von geradezu sagenhafter Inkompetenz, die aber weiter mitgeschleppt werden, weil sie viele Funktionen innehaben? Und bleibt das weibliche Mitgestalten an der Oberfläche, als ob es ein Tool „Feminismus“ gäbe, das allem übergestülpt werden kann? Sehen wir uns Interviews mit der neuen Frauenministerin doch mal an: „Bei Frauen tritt man leichter hin“ ist jener Satz Oberhausers, den der „Standard“ als Titel (am 24.6.) auswählt. Gemeint sind „Hasspostings“ im Netz, die einer eigenen Meldestelle bedürfen, geht es nach der Ministerin. Sie führt u.a. an, dass Frauen fünfmal so häufig von Gewalt betroffen sind und virtuell immer noch dreimal so oft. Als Beispiel erwähnt sie ORF-Moderatorin Ingrid Thurnher, die nicht ganz fair das „Duell“ zwischen Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen moderierte. Es sei versucht worden, sie „zum Schweigen zu bringen“, sie „einzuschüchtern“.
In den sozialen Medien wird aufgrund einer Aktion mit dem Hashtag #solidaritystorm heftig diskutiert, ob Mainstream-Journalistinnen, die stets brav auf Linie sind, tatsächlich der Solidarität bedürfen, zumal es bei anderen nicht bei dummen Postings bleibt, sondern sie existentiell bedroht sind. Als neue Frauenministerin bleibt Oberhauser aber der Linie von Vorgängerin Gabriele Heinisch-Hosek treu, in erster Linie symbolisch aktiv zu werden, Frauen aber mit dem allein zu lassen, was der Staat nicht dulden dürfte. „Frauen sollen ermutigt werden, sich zu trauen“, sagt die Ministerin gerne, was in der „Kronen Zeitung“ dann so klingt: „Einerseits müssen wir Frauen motivieren, sie müssen sich mehr zutrauen und dürfen sich nicht fürchten.“ Und natürlich müssen sie „lästig“ sein, wie ja auch Kanzler Kern unter Applaus betont hat, sich selbst ins Lästig-Sein lässig per „wir“ einschliessend.
Wenn der Kanzler den Frauen gegenüber das Thema Flüchtlinge andeutet, ist ihm Beifall sicher, definieren sich doch zahlreiche GenossInnen fast ausschliesslich darüber in Opposition zu anderen in der Partei und verkaufen dies als (Team) „Haltung“. Über importiertes Paschaverhalten und Rückschritte in weiblicher Bewegungsfreiheit etwa im öffentlichen Raum wollen sie dann lieber nicht so gerne reden, stattdessen setzen sie sich stolz für „refugees“ durch. Es waren Frauen in der Partei, die Stimmung gegen Ex-Kanzler Werner Faymann machten, jedoch nicht offen mit Machtansprüchen in Erscheinung traten. Wenn von „lästig sein“, sich „mehr trauen“, „mutiger sein“ die Rede ist, meinen Oberhauser und Co. nie den „Mut“, einen Pfad zu beschreiten, auf dem noch kein Mann gegangen ist oder etwas deshalb zu tun, weil es notwendig ist, egal ob eine andere Frau schon ausprobiert hat.
Es geht also nicht um eigenständiges Handeln und Denken, um Analyse aus von einer Frau erworbenem Wissen heraus, sondern darum, ein bisschen mehr vom „Männerkuchen“ abzubekommen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass diese Frauen nicht ermessen, was Frauen widerfahren kann, die Taten setzen, ohne sich lange umzusehen, ob nicht auch ein Mann oder eine Gruppe aktiv werden könnte. Unter diesen Gegebenheiten versteht frau auch etwas anderes als Männer unter „Team“ und „Bündnisse“, denn diese ziehen es vor, basierend auf Eigenständigkeit mit anderen punktuell zu kooperieren, ohne aber zu deren Lakaien zu werden. Für einige Männer ist es so aber am bequemsten: jeder Parteivorsitzende wird bejubelt, Kern aktuell auch deshalb, weil er bei der Regenbogenparade sprach und seine Rede bei den SPÖ-Frauen mit „We are unstoppable“ beendete.