Christian Kern ist seit vier Wochen Bundeskanzler und brilliert vor allem in medialer Selbstinszenierung via Social Media. Geht es darum, konkreter Politik gebührende Aufmerksamkeit zu verschaffen, oder steht doch eher die Selbstdarstellung im Mittelpunkt? Ein Foto von Kern zur Fußball-EM erinnert viele Userinnen jedenfalls sehr an den Sketch „Ministry of Silly Walks“ der Monty Python’s.
Kern hat natürlich auch einen englischsprachigen Wikipedia-Eintag: „A business journalist by profession, the member of Austria’s Social Democratic Party served as spokesman of the SPÖ’s parliamentary group leader in the mid-1990s, before he became a senior manager in Austria’s leading electricity company Verbund AG. In 2010, Kern was appointed CEO of the state-owned Austrian Federal Railways (ÖBB), chairing the Community of European Railway and Infrastructure Companies (CER) from 2014 onwards. Following the resignation of Werner Faymann amidst the Austrian presidential election, the governing Social Democrats nominated Kern for the country’s highest executive office.“
Userbeitrag auf Christian Kerns Facebook-Seite
Man weiss, dass Wikipedia-Einträge bei politischen Themen mit Vorsicht zu geniessen sind, was jener zu Kern zu bestätigen scheint, denn hier wird besonders auf die Wiener Stadträtin Sonja Wehsely Bezug genommen: „In spite of his credentials as a manager, Kern’s nomination of members of the party’s left wing, Sonja Wehsely and Jörg Leichtfried as new ministers was interpreted as a turn towards the party’s left. The appointment of Wehsely, who is known for her staunch pro-asylum course during the European migrant crisis, was however considered all too controversial, with political analyst Thomas Hofer referring to it as a declaration of war („kleine Kampfansage“) against conservative coalition partner ÖVP. Wehsely ultimately declined and decided she would stay city councillor in Vienna.
Hofer however expects Kern to follow the centrist examples of German chancellor Gerhard Schröder or Britain’s Tony Blair, combining pro-business policies with a social conscience. Kern appointed Muna Duzdar , a lawyer and chairwoman of the Palestininian-Austrian Society, as state secretary in the Chancellery, where she will be the first Muslim to hold a government post.[17] The fact that Duzdar, who has previously come out as a sharp critic of Israel, will now be in charge of Jewish community affairs, irritated the Jewish community. According to Jerusalem Post author Samuel Laster, Duzdar’s appointment may however be considered a ’signal of openness‘ for Kern who is ‚widely regarded as a friend of Israel‘.„
Dass viele Menschen via Internet ihren Unmut darüber kundtaten, Wehsely auch nur in Erwägung zu ziehen, wird hier gnädig verschwiegen, ebenso ihre Rolle bei der Demontage von Werner Faymann. Gegen den ehemaligen Kanzler wurden von der „Parteijugend“ bis zu anderen pseudokritischen Roten alle in Gang gesetzt, die sich mobilisieren liessen, weil er Destabilisierung Österreichs durch Masseneinwanderung ablehnt. Es ist auch bezeichnend, dass von Kern erwartet wird, dem einstigen Blair-Schröder-Kurs zu folgen, der neben massivem Sozialabbau auch die Beteiligung an US-/NATO-Kriegen brachte und der etwa vom ehemaligen Verteidigungsminister Norbert Darabos immer abgelehnt wurde. Anders als Darabos hatten Kern und die „Putschisten“ aber auch jede Menge an positiver Berichterstattung, während der nunmehrige Landesrat vom ORF selbst beim Thema Lehrlingsförderung in die Zange genommen wird.
Der Sketch um das Ministry of Silly Walks führt auch Förderpolitik ad absurdum, die charakteristisch ist für von Kern und anderen vertretene Positionen, denn der Besucher im Ministerium möchte „government grant“ für die Entwicklung eines neuen „silly walk“. Nachdem er ihn vorführt, heisst sagt der Minister „it is not very silly“, und er erwidert, dass er ja genau dafür finanzielle Mittel benötigt, „to make it really silly“. Als Kompromiss darf er aber den anglo-französischen „silly walk“ erforschen, der dann im Film gezeigt wird. Die Parallele zu Christian Kern auch schon als ÖBB-Chef ist augenscheinlich, da er sinnlose Konferenzen zum Thema Flüchtlinge und Migration unterstützt hat (siehe „NOW“ im Jänner 2016 und „Frauen.Flucht.Migration“ im April, hier von mir kritisch betrachtet).
Kern bestritt natürlich, dass er seine konkreten Pläne, einmal „the country’s highest chief executive officer“ zu werden, auch gezielt in die Tat umsetzte, denn dies sei ja „House of Cards für Arme„. Es ist keine Überraschung, dass Kern sofort an der „Obergrenze“ für Asylanträge gerüttelt hat, zumal ihn und ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz Welten trennen. Interessant ist aber, dass Kern Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil immer wieder lobt, der medial und auf Social Media gerne zu Unrecht als „rechts“ eingestuft wird und dessen Positionen sich von Kurz‘ kaum unterscheiden. Ansonsten wird Kern kein sonderlich guter Riecher für politisches Personal bescheinigt, was auch für Veränderungen in der Parteizentrale gilt, wo der Wiener Landesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler halt das Stockwerk wechselt und seit dem 13. Juni offiziell Bundesgeschäftsführer ist.
So schreibt die „Kronen Zeitung“ am 14. Juni, dass Niedermühlbichler Kern wohl kaum die Show stehlen wird, da er eher der „Innendienst-Typ“ sei, als „braver Arbeiter“ aber das ist, was die Löwelstraße jetzt dringend brauche. Es sollte damit jedoch Erneuerung verbunden werden, zumal Kern letztlich durch Absprachen der Landesparteichefs abseits von Wien (Kärnten, Niederösterreich, Salzburg, Steiermark, Vorarlberg) den Sprung an die Spitze schaffen konnte, ohne dass jemand mit Regierungserfahrung eine Chance gehabt hätte. Laut „Krone“ weht Niedermühlbichler „gleich ein rauer Wind entgegen“, denn es sei „eine unglückliche Entscheidung“, „wieder einen aus der Wiener Blase in die Parteizentrale zu setzen“. Er habe es sich bereits (2015) mit dem burgenländischen Landeshauptmann Hans Niessl verscherzt, weil er die Koalition mit der FPÖ via Twitter als „schweren Fehler“ bezeichnete.
Mit Rede von Christian Kern
Es waren übrigens die damals in Gang gesetzten Kohorten, samt Minidemo vor der Löwelstrasse gegen den damaligen Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos (natürlich mit viel Medienberichterstattung), die später Willkommen winkten bis zum Abwinken und die sowohl gegen die Bundesregierung als Ganzes als auch gegen Faymann agitierten. Nach wie vor ist es unmöglich, mit weiten Teilen der Wiener SPÖ vernünftig über die SPÖ Burgenland zu sprechen, da transatlantische Interessen in Wien ganze Arbeit geleistet haben. Man hat für „Willkommenskultur“ zu sein (als Ersatz für europäische Kultur) und ist ein bisschen gegen Krieg, ohne sich je mit der Strategie der NATO, mit Sicherheits- und Geopolitik auseinander zu setzen. Das Weltbild dieser „Linken“, die schon lange keine mehr sind, mündet darin, für und gegen Gleichberechtigung, gegen und für Homophobie zu sein und Agenda-Setting via Enthüllungen a la Panama Papers nicht zu durchschauen.
Die Wiener SPÖ steht tatsächlich für Freundschaftsdienste der Art, wie sie Beate Meinl-Reisinger von den NEOS gerade aufzeigt. Sie befasst sich etwa mit dem Förderprogramm SHIFT: „Es war Ende 2014 von Mailath-Pokorny und dem damaligen Kultursprecher der Grünen, Klaus Werner-Lobo, vorgestellt worden. In den Jahren 2015 bis 2017 sollten je 1,5 Millionen Euro für innovative Projekte zur Verfügung gestellt werden, die Gesamtsumme von 4,5 Millionen sei abgesichert. Erstmals wurde SHIFT im Jänner 2015 ausgeschrieben, es gab 565 Einreichungen. Zur Ausschreibung der Tranche für 2016 kam es bisher nicht. Denn Mailath-Pokorny war, wie er im Februar öffentlich kundtat, von den Ergebnissen enttäuscht: ‚Ich lasse das Projekt daher evaluieren.‘
Meinl-Reisinger fragte auch, warum SHIFT nicht vom Kulturamt betreut, sondern an die Basis.Kultur.Wien ausgelagert wurde. Weil, so Mailaths Antwort, die Basis.Kultur.Wien den Antrag zur Förderung vorgelegt habe: ‚Daher wird SHIFT auch von dieser Organisation umgesetzt.‘ Das ist eine Tatsachenverdrehung. Die Idee zu SHIFT hatte Werner-Lobo – und er plädierte für einen parteiunabhängigen Verein als Organisation. Mailaths Büro aber bestand auf Basis.Kultur.Wien. Und nur deshalb stellte dieser SPÖ-nahe Verein den Antrag. Geführt wird Basis.Kultur.Wien von Anita Zemlyak, einer ehemaligen Mitarbeiterin von Mailath-Pokorny.“ Der „Kurier“ vermutet im Artikel, dass Zemlyak neue Leiterin des Kulturamtes wird, was inzwischen geschehen ist. Die NEOS interessieren sich auch für die Förderung des Stadttheaters Walfischgasse, das 2015 300.000 Euro erhielt, den Betrieb aber im Mai 2015 eingestellt hat; dies erinnert an die Subvention in der Höhe von 450.000 Euro für den nicht stattfindenden Life-Ball. Werner-Lobo ruft übrigens wie der grüne EU-Abgeordnete Michel Reimon zum Einsatz von Bolzenschneidern gegen Grenzsicherung auf.
Kern auf Facebook und Instagram
Nachdem die SPÖ der ÖVP-Kandidatin für die Funktion des Rechnungshofpräsidenten zustimmen musste, gibt sich Kern „ernüchtert“ über den Koalitionspartner. Außerdem wird er bemerkt haben, dass man als Manager kaum in der Öffentlichkeit steht, als Kanzler jedoch permanent. Manche können es nicht lassen, von einem „Linksruck“ zu sprechen, obwohl sich dieser bislang auf Schlagworte wie „Maschinensteuer“ beschränkt. Selbst wenn Kern etwas in den Mund gelegt wird, kann man daraus positive Schlagzeilen generieren, nämlich wenn echte oder vermeintliche FPÖ-Fans auf Straches Facebook.Seite dem Kanzler „mit Mord drohen“ (so wurde auch auf die – vorläufige? – Wahl Van der Bellens zum Bundespräsidenten reagiert). Ich habe bewusst zu „Österreich“ verlinkt, das Kern in der Sonntagsausgabe so interviewt hat: „Aber es ist peinlich, dass wir international jetzt nicht nur als Rechtsradikale, sondern auch als Bananenrepublik dastehen?“ Kern widerspricht nicht, sondern meint: „Da kann ich Ihnen nur recht geben.“
Zuvor ging es um die Wahlanfechtung der FPÖ zur Bundespräsidentenwahl, die Kern kritisierte, weil „das natürlich den Glauben in die Rechtmäßigkeit und Transparenz der demokratischen Prozesse schwächt“. Dabei geht es um zahlreiche dokumentierte Unregelmässigkeiten, über die jetzt der Verfassungsgerichtshof zu entscheiden hat, der gerade verfügt hat, dass die Bezirksvertretungswahlen im Oktober 2015 im Wiener Bezirk Leopoldstadt zu wiederholen sind, wo sie der Briefwahl wegen beanstandet wurden. Leiter der Wahlbehörde ist übrigens der Transatlantiker Stadtrat Mailath-Pokorny, SPÖ-Bezirksvorsitzende Stadträtin Wehsely, die Lebensgefährtin von Klubobmann Andreas Schieder (ebenfalls Transatlantiker). Dass der gesamte Wahlgang betroffen ist, stellt natürlich ein Präjudiz für den Entscheid zur Bundespräsidenten-Stichwahl dar.
Kern weiss sich zwar per Bildsprache und Gesten auch gegenüber der Partei in Szene zu setzen, was für „die“ Medien tatsächlich „neu“ ist (dies schliesst seine Ehefrau ein). Das darf man aber nicht mit politischer Substanz verwechseln, die durch allzu gestylte Inszenierungen eher zugedeckt als offenbart wird. Allerdings kann man so auch von deren Fehlen ablenken und es erschweren, darüber ein gerechtes Urteil zu fällen. Nachdem Kern durch Gremialbeschlüsse Faymann nachfolgte, muss er noch den Bundesparteitag am 25. Juni absolvieren, bei dem er zum Parteivorsitzenden gewählt werden soll. Zuvor wird er am 23. Juni Angela Merkel treffen, deren Politik Faymann letztes Jahr unterstützt hat, um dann von ihr abzurücken. Nicht frei von Inszenierung, aber nicht bis ins letzte Detail durchgestylt agiert der direkte Konkurrent Kerns in der Regierung Minister Kurz, und ungestylt, aber umso präsenter ist Verteidigungsminister Doskozil, der sich gerade wie auch kurz mit der EU-Außenbeauftragten Frederica Mogherini traf und parteiinterner Kern-Konkurrenz ist. Ein gerade auf Facebook bejubeltes Video von Kern im Parlament zeigt, dass sich der Kanzler bei allem Konkreten auf Doskozil bezieht…
Entertainer-Qualitäten sind eben heute gefragt und Sozial-Media-Kompetenz. All das hatte Faymann nicht so drauf. Ist aber noch ein glatteres Parkett – siehe Instagram-Foto – und kann auch mal nach hinten los gehen.
Sehr hübsch auch seine fb-Seite: Christian Kern, PolitikerIn.
*****
Jetzt noch ein wenig offtopic ein Gerücht aus der Verschwörungstheoretiker-Ecke:
Warum wurde Frau Mikl-Leitner so plötzlich abgelöst und durch Herrn Sobotka ersetzt?
Die These lautet, daß jemand Nicht-Erpreßbarer durch einen Erpreßbaren ersetzt wurde. Als Beweis dafür wird die Tatsache angeführt, daß das nunmehr zweijährige Ermittlungsverfahren in der Causa „Skylink“ kurz nach Ernennung Sobotkas zum Innenminister gegen Letztgenannten eingestellt worden ist.
LikeLike
Danke für die neueste Verschwörungstheorie 🙂 das hab ich nicht so verfolgt, werde es aber im Hinterkopf behalten und mir ansehen, wie Sobotka agiert; mehr Power in puncto Migration hatte schon die Mikl; denn man hört fast nur noch von Kurz und Doskozil. Apropos: wenn man sich Strache vs. Kern und umgekehrt gestern im NR ansieht, entgeht den jubelnden Kern-Fans, dass sich ihr Idol dauernd auf Doskozil bezieht, wenns konkret wird. Ich hab dazu momentan nur die Links zu Facebook-Videos:
Strache: https://www.facebook.com/HCStrache/videos/vb.74865038590/10153941088178591/?type=2&theater
Kern: https://www.facebook.com/bundeskanzler.christian.kern/videos/vb.603996709755642/617669771721669/?type=2&theater
Ich hab auf der Kern-Pinnwand zum Strache-Video verlinkt und umgekehrt, sodass sich jeder ein vollständiges Bild machen kann 🙂
LikeLike
PS edwige: Sobotka ist auf Facebook, da kann man ein bisschen mitkriegen, was er tut, er war gestern in der ZiB 2, das Video ist dort auch verlinkt (Thema war die Wahlanfechtung): https://www.facebook.com/wolfgangsobotkaniederoesterreich/
LikeLike